Der Winter stellt mich als Tierärztin und Pferdebesitzerin jedes Jahr vor besondere Herausforderungen. Schnee, Eis und glatte Böden erhöhen das Risiko für Verletzungen erheblich. Pferde brauchen auch in der kalten Jahreszeit ausreichend Bewegung, doch unbedachte Aktionen können schnell zu gefährlichen Situationen führen. In diesem Beitrag teile ich meine Erfahrungen und gebe fundierte Empfehlungen, wie ich die Gesundheit und Sicherheit meiner Pferde im Winter schütze.
Gefahren durch Glatteis und Rutschstellen
Glatteis und vereiste Stellen auf Wegen, Straßen und Koppeln gehören zu den größten Gefahrenquellen für Pferde im Winter. Ich habe selbst schon Situationen erlebt, in denen ein Pferd auf vereistem Boden ausrutschte und stürzte. Solche Unfälle können schwerwiegende Folgen haben. Aus tiermedizinischer Sicht besteht bei Stürzen auf glatten Untergründen ein erhöhtes Risiko für:
- Knochenfrakturen: Besonders betroffen sind Röhrbein, Fesselbein und Hufbein. Ich habe schon Pferde mit einfachen Rissbrüchen sowie mit komplizierten Trümmerbrüchen behandelt. Oft ist eine operative Versorgung notwendig, und die Prognose variiert stark je nach Frakturtyp.
- Sehnen- und Bänderrisse: Plötzliche Drehbewegungen oder ein Ausrutschen können zu schweren Schäden an den Sehnen führen, insbesondere der oberflächlichen und tiefen Beugesehne sowie dem Fesselträgerband. Solche Verletzungen sind langwierig in der Heilung und können das Pferd dauerhaft in seiner Leistungsfähigkeit einschränken.
- Muskelzerrungen und Prellungen: Diese Verletzungen treten häufig bei rutschigen Böden auf und können zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Ohne adäquate Behandlung können sie chronisch werden.
Spezielle Gefahr für ältere Pferde und Fohlen
Ältere Pferde und Fohlen sind besonders gefährdet. Ältere Pferde leiden häufig unter degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates, wie z.B. Arthrose, was das Risiko von Verletzungen bei Stürzen erhöht. Fohlen haben noch keine vollständig ausgereifte Muskulatur und sind anfälliger für Sehnen- und Gelenkschäden. Ich achte besonders darauf, dass diese Pferdegruppen bei Glätte gut gesichert sind.
Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen
Um Verletzungen durch Glatteis und Rutschstellen zu vermeiden, sollten Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
1. Eisfreie Wege schaffen
Sorgen Sie dafür, dass alle Wege, die von Pferden genutzt werden, regelmäßig von Eis und Schnee befreit werden. Dies betrifft insbesondere den Bereich rund um den Stall, den Zugang zur Koppel und den Reitplatz. Verwenden Sie bevorzugt pferdefreundliche Materialien wie Splitt, Sand oder spezielle Taumittel, die die Hufe nicht reizen.
2. Hufbearbeitung anpassen
Passen Sie die Hufbearbeitung an die winterlichen Bedingungen an. In Absprache mit dem Hufschmied können spezielle Hufbeschläge angebracht werden:
- Stollen oder Eisnägel: Diese bieten zusätzlichen Halt auf rutschigen Untergründen und verhindern ein Wegrutschen.
- Hufgrip-Einlagen: Diese Einlagen verhindern, dass sich Schnee unter den Hufen verklumpt, was ebenfalls zu Rutschgefahr führen kann.
- Hufschuhe mit Profilsohle: Eine gute Alternative für Pferde, die barhuf gehen. Diese bieten zusätzlichen Grip auf glatten Oberflächen.
3. Koppel- und Reitplatzpflege
Pflegen Sie Koppel und Reitplatz regelmäßig, um Unfälle zu vermeiden. Verhindern Sie, dass sich Pfützen bilden und anschließend zufrieren, indem Sie für eine gute Entwässerung sorgen. Eine gleichmäßige Oberfläche auf dem Reitplatz trägt ebenfalls zur Sicherheit bei.
Bewegung im Winter: Wichtige Regeln
Auch im Winter benötigen Pferde regelmäßige Bewegung, um ihre Muskulatur und ihr Herz-Kreislauf-System zu trainieren. Dabei sollten folgende Regeln beachtet werden:
- Lassen Sie Pferde nie ohne Aufsicht laufen. Ein unkontrolliertes Pferd kann sich auf rutschigen Untergründen schwer verletzen. Stellen Sie sicher, dass die Bodenverhältnisse sicher sind und dass Sie jederzeit eingreifen können.
- Wärmen Sie die Pferde vor der Bewegung gut auf. Kalte Temperaturen führen dazu, dass Muskulatur und Sehnen weniger flexibel sind. Beginnen Sie mit Schrittphasen und steigern Sie die Intensität langsam, bevor Sie Trab oder Galopp einlegen.
- Passen Sie die Trainingseinheiten an. Vermeiden Sie abrupte Wendungen, schnelle Stopps und Sprünge auf rutschigen Böden, da diese Bewegungen das Risiko von Verletzungen erheblich erhöhen.
Tierärztliche Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Unfällen
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann es immer zu einem Unfall kommen. Sollten Pferde stürzen oder sich verletzen, gehen Sie wie folgt vor:
- Bleiben Sie ruhig. Panik überträgt sich auf das Pferd und erschwert die Situation.
- Untersuchen Sie das Pferd gründlich. Überprüfen Sie die Gliedmaßen auf Schwellungen, Wunden und Lahmheit. Achten Sie besonders auf Anzeichen von Frakturen oder Sehnenverletzungen.
- Stellen Sie das Pferd ruhig. Sorgen Sie dafür, dass sich das Pferd möglichst wenig bewegt, um weitere Schäden zu verhindern.
- Kontaktieren Sie umgehend einen Tierarzt. Bei Verdacht auf eine ernsthafte Verletzung sollte sofort ein Tierarzt verständigt werden. Zeitnahe Diagnosen und Behandlungen erhöhen die Chancen auf vollständige Heilung.
Leider kommt es immer wieder vor, dass keine Rettung mehr möglich ist. Besonders bei komplizierten Knochenbrüchen oder schweren Sehnenverletzungen ist manchmal eine Euthanasie die einzige Lösung, um dem Pferd unnötiges Leid zu ersparen. Diese Entscheidung ist nie leicht, aber sie sollte im Sinne des Tieres getroffen werden.
Diagnosemöglichkeiten in der Tierärztlichen Klinik oder Praxis:
Moderne diagnostische Verfahren wie Röntgen, Ultraschall oder Magnetresonanztomografie (MRT) ermöglichen eine präzise Einschätzung der Verletzungen. Besonders bei Verdacht auf Frakturen oder Sehnenschäden ist eine bildgebende Diagnostik unverzichtbar, um das Ausmaß der Verletzung zu bestimmen und die bestmögliche Therapie einzuleiten.
Fazit
Der Winter birgt für Pferde zahlreiche Gefahren, aber mit der richtigen Vorbereitung lassen sich viele Risiken minimieren. Achten Sie auf sichere Bodenverhältnisse, passen Sie die Hufbearbeitung an und sorgen Sie für eine ausreichende Pflege von Koppel und Reitplatz. Regelmäßige Bewegung ist essenziell, sollte jedoch stets unter Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse erfolgen. Im Notfall ist eine schnelle tierärztliche Versorgung entscheidend, um langfristige Schäden zu verhindern. Und doch muss ich immer wieder darauf hinweisen, dass nicht jede Verletzung heilbar ist und manchmal der letzte Dienst, den ich einem Pferd erweisen kann, die Erlösung von seinem Leiden ist.
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