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Wer kennt es nicht? Das Pferd soll verladen werden – und plötzlich steht man vor einem riesigen Problem. Es geht kein Stück vorwärts, das Pferd ist stur oder verängstigt, und nach stundenlangen Versuchen steigt die Frustration ins Unermessliche. Dabei ist die Fähigkeit, ein Pferd sicher und stressfrei zu verladen, von enormer Bedeutung – nicht nur für den Alltag, sondern vor allem in Notsituationen.
Als Tierärztin mit mobiler Praxis erlebe ich regelmäßig, wie wichtig es ist, Pferde transportfähig zu machen. Doch auch ich hatte lange Zeit ein Problem mit meiner eigenen Stute Giulia. Diese Geschichte soll dir Mut machen und zeigen, dass auch aussichtslos erscheinende Fälle eine Lösung haben können – wenn man die Perspektive wechselt.
Der scheinbar aussichtslose Kampf gegen die Sturheit
Giulia, eine PRE-Stute, war jahrelang mein großes Verladeproblem. Egal, was ich probierte – es wollte einfach nicht funktionieren. Es war ein ständiges Auf und Ab: mal mit Dominanz, mal ganz lässig, mal mit Leckerlis, mal mit Druck. Doch nichts half wirklich. Immer wieder versuchte ich, Giulia an den Anhänger zu gewöhnen – sie sollte ihn erkunden, die Rampe als etwas Positives kennenlernen und ganz in Ruhe mit der Situation vertraut werden.
Die Realität war jedoch: Jedes Verladetraining endete in Stress und Frust – für uns beide. Giulia blieb stur, zögerte, wich zurück oder wurde nervös. Ich hatte schon fast aufgegeben, als ein Gespräch mit einer Kundin plötzlich alles veränderte. Sie erzählte mir beiläufig von einer einfachen Regel: Das Pferd muss sich ab dem Moment des Trainingsbeginns voll und ganz auf die führende Person konzentrieren. Kein Umschauen, kein Lauschen – du bist der Master! Dieser Satz war für mich ein echter Augenöffner.
Warum Verladetraining so wichtig ist
Als Tierärztin sehe ich oft die Folgen unzureichenden Verladetrainings: Verletzte Pferde, die nicht transportiert werden können, oder Notfälle, bei denen schnelle Hilfe nötig wäre – doch der Transport scheitert am Verladen. Selbst wenn der Tierarzt in den Stall kommen kann, darf dies kein Grund sein, auf Verladetraining zu verzichten.
Hier einige typische Situationen, in denen die Verladefähigkeit entscheidend ist:
- Notfälle: Schwerverletzte oder kranke Pferde müssen häufig in die Klinik gebracht werden, weil spezialisierte Behandlungen vor Ort nicht möglich sind.
- Therapien und Diagnostik: Einige Untersuchungen und Behandlungen erfordern spezielle Geräte, die nur in Kliniken verfügbar sind.
- Zeitkritische Eingriffe: Manche Verletzungen oder Koliken erfordern sofortiges Handeln – ein verladewilliges Pferd spart wertvolle Zeit.
- Fehlende mobile Tierärzte: Nicht überall steht rund um die Uhr ein mobiler Tierarzt zur Verfügung. Bei dringenden Fällen bleibt nur der Transport in die Klinik.
Der Gedanke „Mein Pferd muss nicht verladen werden, der Tierarzt kommt ja zu uns“ kann schnell in eine Notlage führen. Es gibt viele Gründe, warum man im Ernstfall mobil sein muss. Und genau darum geht es beim Verladetraining: Sicherheit und Mobilität für den Notfall.
Der Perspektivwechsel – plötzlich war alles anders

Der entscheidende Tipp meiner Kundin änderte meine Herangehensweise grundlegend: Das Pferd muss während des Trainings seine volle Aufmerksamkeit auf die führende Person richten. Kein Umschauen, kein Abwenden, kein Horchen auf Geräusche – nur auf mich konzentrieren. Ich übernahm die Rolle des Masters: nicht mit Gewalt, sondern mit Autorität. Es war keine Streichelstunde mehr, sondern konzentrierte Arbeit.
Ich begann, Giulia ab dem ersten Moment des Trainings in diesen Fokus zu bringen. Sobald sie den Blick abwandte oder sich auf andere Dinge konzentrierte, folgte eine klare Korrektur – mit Stimme oder einem leichten Zug am Führstrick. Ich verlangte, dass sie sich auf mich fixierte, und sobald sie es tat, wurde das belohnt.
Und plötzlich passierte es: Nach nur wenigen Trainingseinheiten lief Giulia zielgerichtet in den Anhänger. Es dauerte keine Stunden mehr, sondern gerade mal 1-2 Minuten. Ich konnte die Klappe schließen und die Stange fixieren – alleine und ohne fremde Hilfe. Es war ein unglaublicher Moment der Erleichterung!
Was du daraus mitnehmen kannst
Das wichtigste Learning aus dieser Erfahrung ist: Jedes Pferd ist anders! Es gibt keine Einheitsmethode, die bei jedem Tier funktioniert. Videos im Internet zeigen oft ein Idealbild, das mit der Realität wenig zu tun hat. Entscheidend ist der Perspektivwechsel: die Bereitschaft, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen und neue Ansätze zu probieren.
Die größte Gefahr besteht darin, zu denken: „Ich kenne mein Pferd und weiß, was es braucht.“ Manchmal muss man sich eingestehen, dass der gewohnte Weg nicht zum Ziel führt. Die Liste mit den 20 Impulsen bietet eine Sammlung von Möglichkeiten und Ideen. Sie ist nicht abschließend, aber sie kann Inspiration geben und zum Umdenken anregen.

Fazit: Veränderung beginnt im Kopf
Verladetraining ist nicht nur Technik, sondern vor allem Einstellungssache. Der Schlüssel zum Erfolg liegt oft in einem kleinen Perspektivwechsel, einem neuen Gedanken oder einer anderen Herangehensweise. Es ist harte Arbeit und verlangt Geduld, aber die Belohnung ist ein sicheres und verlässlich verladefähiges Pferd.
Wenn du das nächste Mal vor deinem Pferd und dem Anhänger stehst, denke an den einen Satz: „Ich bin der Master – und du konzentrierst dich auf mich.“ Mit Klarheit, Ruhe und Konsequenz wirst du deinen persönlichen Durchbruch schaffen.
Viel Erfolg beim Verladetraining – es lohnt sich!
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